„Rumänische Ghettos sind nicht gut“

„Rumänische Ghettos sind nicht gut“

Bürstadt

GESELLSCHAFT CRISTIAN MATEICIUC SPRICHT ÜBER SEINE MOTIVATION, INTEGRATIONSLOTSE ZU WERDEN

06. März 2020 Autor: Martin Schulte (mas)

Er sei eben so ein Typ, er helfe einfach gern. Cristian Mateiciuc sagt das so lapidar dahin, so, als wäre es selbstverständlich. „Wissen Sie, wir brauchen doch alle mal Hilfe von anderen. Eine Hand wäscht die andere.“ Mateiciuc reibt zwei, drei Mal
die Handflächen gegeneinander. Der 40-jährige Rumäne stapelt ein bisschen tief. Vergangene Woche hat er in Bürstadt sein Zertifikat als Integrationslotse erhalten. Als solcher will er zur Verständigung seiner Landsleute mit den Deutschen beitragen. Dabei treibt ihn ein Anspruch an, der nun wirklich nicht lapidar ist: „Es ist nicht gut, wenn rumänische Ghettos entstehen.“ Ein Gespräch. Mateiciuc – das spricht sich übrigens wie „Matejtschuk“. Und beim Cristian fehlt kein „h“. Wir treffen den freundlichen Mann aus Bürstadt in der Nähe seines Arbeitsplatzes in Lampertheim.

Der KFZ-Meister hat gerade Mittagspause. Er hat an der „Akademie für Wirtschaftsstudien und der Verwaltung“ in der Heimat Bukarest Jura und Ökonomie studiert. Weil man in diesen Metiers aber immer die Arbeit mit nach Hause nehme, „habe ich mein Hobby zum Beruf gemacht“: Er repariert die Lastwagen eines Transportunternehmers. Den Meister hat er auch in Rumänien gemacht; er muss ihn hier aber noch anerkennen lassen. der rumänischen Hauptstadt leben seine zwei Kinder bei der Ex-Frau („Wir sind aber noch gute Freunde.“). Ihnen schickt er jeden Monat Geld. „Sie können in Rumänien maximal 400 Euro verdienen. Wie soll man davon leben?“ Cristian Mateiciuc hat sein Land 2014 für ein besseres Leben verlassen. Dazu gehört für ihn auch Integration.

Kann Vorbehalte verstehen

Er kann gut verstehen, dass Deutsche mitunter Vorbehalte gegen Rumänen haben, die hier leben. „Ja“, sagt Mateiciuc, „Landsleute von mir benehmen sich manchmal schlecht, manche werden schnell aggressiv.“ Er bedauere das sehr. Und er glaubt, dass vieles durch zu wenig Wissen voneinander, dem Wissen über die kulturellen Eigenheiten begründet ist. „Die Rumänen leben in Rumänien ganz anders, sie sind gegenseitig interessiert und hilfsbereit. Hier schotten sich manche ab, wollen ihre Arbeit und ihr Geld und interessieren sich nicht für das Leben in der deutschen Gesellschaft. Sie bleiben unter sich.“

Mauern abbauen

Womit wir bei den Ghettos wären? „Ja. Diese Verhältnisse sind nicht gut,“ sagt Mateiciuc. Er hat seinen Dienst als Integrationslotse noch nicht angetreten. Jürgen Knödler, der Integrationsbeauftragte in Bürstadt, würde ihm sagen, wann es losgeht.
Dann könne er helfen, Mauern abzubauen. Zum Beispiel als Dolmetscher im künftigen Quartierbüro in Bürstadt, denkt er. Cristian Mateiciuc ist einer von drei neuen Integrationslotsen, die Bürgermeisterin Bärbel Schader und Brigitta Eckert vom Viernheimer Lernmobil am vergangenen Donnerstag feierlich im Rathaus begrüßt haben. Ihre Ausbildung umfasste 38 Stunden. „Das waren immer etwa sechs Stunden an einem oder zwei Samstagen im Monat“, berichtet der Lotse Mateiciuc.

Dabei seien auch Praktika gewesen, zum Beispiel im Bürgerbüro des Rathauses oder beim Integrationsbeauftragten. Die Antwort auf die Frage, worauf es am meisten ankommt bei seiner neuen Aufgabe, kommt wie aus der Pistole geschossen: „Dass wir neutral bleiben.“ Sie deckt sich mit dem, was Lernmobil-Geschäftsführerin Eckert bei der Feier im Bürstädter Rathaus über die zentralen Ausbildungsinhalte gesagt hat.

„Wir sind nicht die Vertreter der Interessen unserer Landsleute. Wir sind Vermittler. Wir wollen, dass die Beteiligten eine Lösung finden. Wir sind aber nicht Teil der Lösung“, erklärt Mateiciuc. Verständnis auf beiden Seiten zu erzeugen, sei das Ziel.

Mit Biblis und Groß-Rohrheim

Bürstadt arbeitet bei der Integration mit Biblis und Groß-Rohrheim zusammen. In deren Rathäusern werden die nunmehr insgesamt zehn Integrationslotsen eingesetzt. Sie werden aber auch im Jobcenter und in Schulen gebraucht.

Schule ist ein Stichwort für Cristian Mateiciuc. „Schule ist in Rumänien ganz anderes als hier, die Lehrer sind sehr streng und sehr autoritär. In Deutschland haben rumänische Kinder deshalb erst mal große Probleme, sich zu orientieren. „Hier könnte ich als Lotse bestimmt gut vermitteln.“ © Südhessen Morgen, Freitag, 06.03.2020

Die Stadt Bürstadt kooperiert bei der Integration von Migranten mit dem Viernheimer Lernmobil. Dort arbeiten ausgewiesene Experten.

Für Bürstadt, Biblis und Groß-Rohrheim sind mittlerweile zehn Integrationslotsen verschiedener Herkunft ausgebildet worden und im Einsatz.

Die Lotsen arbeiten in den Rathäusern, im Jobcenter und in Schulen.

Ihre Aufgabe ist, beim Abbau von beiderseitigen Hemmnissen durch Sprach- und Mentalitätsunterschiede zu helfen.

Zum Selbstverständnis der Lotsen gehört Neutralität. Sie ergreifen nicht Partei für die Landsleute, sondern orientieren sich an der Sachlage.

Bürstadt zählt knapp 17 000 Einwohner. Davon haben 2800 einen Migrationshintergrund.

mas