Sprache ist für Integration ein absolutes Muss

Sprache ist für Integration ein absolutes Muss

VIERNHEIM

SERIE „PFIVV“ KINDERBETREUERIN ANCOANETA PEEVA ENGAGIERT SICH SEIT DREI JAHREN ALS INTEGRATIONSLOTSIN

„Sprache ist für Integration ein absolutes Muss“

14. September 2020 Autor: Corina Busalt

Integrationslotsin Ancoaneta Peeva kam aus Bulgarien nach Deutschland. Sie ist überzeugt: „Wer wirklich will, kann hier alles erreichen.“

Ancoaneta Peeva kam nicht mit dem Krieg im Rücken nach Deutschland, wie so viele Menschen im Jahr 2015. Die Überzeugung, dass Deutschland ein schönes Land zum Leben ist, ließ sie in Bulgarien alle Zelte abbrechen.

Ancoaneta Peeva ist 55 Jahre alt und spricht Deutsch beinahe perfekt. Sie ist als Kinderbetreuerin beim Verein Lernmobil angestellt und für die soziale Begleitung zu berufsbezogenen Kursen verantwortlich. Ehrenamtlich engagiert sie sich seit drei

Jahren beim Projekt für Interkulturelle Vermittlung in Viernheim – kurz „PfiVV“ – als Integrationslotsin.

Wissen über Rechte und Pflichten

Dort ist sie für den Bereich Familie und Soziales mitverantwortlich und hilft Eltern dabei, das deutsche Schulsystem zu verstehen. Gemeinsam mit ihnen geht sie zu Elterngesprächen, besucht Elternabende, füllt Anträge für die Hortbetreuung oder Kostenübernahmen für das Jugendamt aus. „Mir gefällt die Arbeit mit Menschen. Ich finde es wichtig, nicht nur meine Probleme, sondern auch die der anderen zu lösen“, sagt sie.

Für die Gesetzgebung in Deutschland interessiert sich Ancoaneta Peeva sehr. „Ich habe viel darüber gelesen“, betont sie. Den Klienten von „PfiVV“ versucht sie schon in den ersten Gesprächen zu vermitteln, welche Rechte und Pflichten sie in Deutschland haben. „Das ist am Anfang für viele schwer zu verstehen“, sagt sie. Sie könne sich als Integrationslotsin gut in andere hineinversetzen. „Das hilft sehr dabei, ihre Lage und ihre Probleme zu verstehen. Jeder Anfang in Deutschland ist schwer“, sagt sie. Doch die 55-Jährige ist überzeugt: „Wer wirklich will, kann hier alles erreichen.“ Sie selbst sei ein gutes Beispiel dafür, dass man auch mit „50 plus“ noch eine neue Sprache lernen kann.

Als Schulleiterin gearbeitet

Bevor Ancoaneta Peeva vor fünf Jahren nach Deutschland kam, arbeitete sie als Schulleiterin einer Schule in Dimitrovgrad, einer mittelgroßen Stadt im Süden Bulgariens. Dort ist sie auch geboren und aufgewachsen. Studiert hat Peeva Physik, Mathematik und Informatik auf Lehramt an der Universität in Plovdiv. Nach dem Master-Studium arbeitete sie zunächst als Lehrerin an einer Schule, bevor sie dann als Leiterin an eine andere Einrichtung wechselte.

Und weil in Bulgarien die Arbeit eines Schulleiters der eines Managers ähnelt, studierte Peeva zusätzlich Jura. „Das ist in Bulgarien in einer solchen Position sehr

hilfreich“, erklärt sie. Als Schulleiterin musste sie beispielsweise die Verträge mit den Lehrern, dem Reinigungsdienst oder dem Essenlieferanten selbst aufsetzen. Knapp 15 Jahre lang leitete Ancoaneta Peeva die Schule – eine Arbeit, die ihr immer großen Spaß gemacht habe, aber auch „sehr anstrengend“ gewesen sei, wie sie erzählt. Die Schule sei von Kindern aus unterschiedlichen sozialen Schichten besucht worden. Viele Eltern hätten zu jener Zeit im Ausland gearbeitet und sahen ihre Kinder nur selten. „Viele unserer Schüler wuchsen bei ihren Großeltern oder anderen Verwandten auf. Die Erziehung dieser Kinder war sehr schwierig“, sagt sie. Als ihr Sohn dann mit der Schule fertig war und zum Studieren ins Ausland wollte, ergriff Ancoaneta Peeva die Chance und zog mit ihrem Partner nach Viernheim. „Dort hatte er Verwandtschaft, deshalb fiel die Wahl auf diese Stadt“, erklärt die 55- Jährige.

Ein wenig Deutsch habe sie in Bulgarien an der Schule gelernt, doch das habe anfänglich gerade so zum Einkaufen gereicht. „Ich habe die ersten drei Jahre hier in Deutschland gelernt, gelernt, gelernt“, erinnert sich Peeva.

Angekommen in Viernheim

Nach dem Integrationskurs im Verein Lernmobil und bestandenem Sprachkurs auf B2-Niveau, absolvierte sie den C1-Sprachkurs an der Mannheimer Abendakademie und schloss dann eine Weiterbildung an der Uni Heidelberg für Deutsch als Fremdsprache und Deutsch als zweite Sprache ab. Heute sagt sie: „Ich sehe Deutsch für die Integration als ein absolutes Muss.“ Es sei der erste Baustein auf dem Weg zur Integration. „Wie soll man sich sonst hier auf dem Arbeitsmarkt positionieren? Wie soll man die neue Kultur kennenlernen? Wie soll man ohne Sprache neue Leute kennenlernen?“, fragt sie. Ohne Kommunikation funktioniere das nicht.

Ancoaneta Peeva fühlt sich jedenfalls angekommen, hat die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt und bezeichnet Viernheim als ihre Heimat. „Und hier im

Lernmobil und bei PfiVV – das sind für mich keine Arbeitsstellen. Das sind Freunde“, sagt sie.

© Südhessen Morgen, Montag, 14.09.2020

Integrationslotsin Ancoaneta Peeva kam aus Bulgarien nach Deutschland. Sie ist überzeugt: „Wer wirklich will, kann hier alles erreichen.“