
07 Apr. Starke Familien stärken auch ihre Kinder
Mannheimer Morgen Plus-ArtikelIntegration – Kurs des Lernmobils will vor allem Frauen helfen, ihren Nachwuchs auf dem Bildungsweg in Deutschland zu begleiten und zu unterstützen.
Lernmobil-Leiterin Brigitta Eckert (2.v.r.) übergab die Zertifikate. © OTHMAR. PIETSCH
Viernheim. Der Start in ein neues Leben in einem anderen Land mit einer fremden Kultur ist mit vielen Veränderungen verbunden. Das war für Brigitta Eckert und Gerd Balter vom Verein Lernmobil vor einigen Jahren der Grund, sich der zugewanderten Menschen in Viernheim anzunehmen. Dabei entstand das Programm „Als Familie sind wir stark“. Mittlerweile wurden zahlreiche Kurse abgehalten und viele Neubürger, meist Frauen, mit dem Alltag einer Familie in Deutschland vertraut gemacht. Jetzt erfolgte bei einer kleinen Zeremonie im Treff im Bahnhof die Übergabe von 28 Zertifikaten an die Teilnehmerinnen der Kurse.
„Wir wollen erreichen, dass die Eltern darin bestärkt und befähigt werden, den Bildungsweg ihrer Kinder adäquat und aktiv begleiten zu können. Dabei mussten natürlich zahlreiche Vorurteile aus dem Weg geräumt werden“, umschreibt Projektkoordinatorin Selma Emekci grob das Lernziel.
Ein Anliegen des Familienprogramms ist es, die Qualität der Eltern-Kind-Interaktionen zu verbessern. Die Eltern erhalten zudem relevante Informationen zum deutschen Bildungs- und Gesundheitssystem und lernen, wie sie ihre vertrauten familienbezogenen Werte in der neuen Umgebung leben können und sich neue Werte zu den Themen Familie, Gesundheit und Erziehung aneignen. Während der zehn Module, die seit Mitte November vergangenen Jahres in sprachhomogenen Gruppen durchgeführt wurden, gab es auch eine Kinderbetreuung. In den Kursen selbst wurde hauptsächlich Deutsch gesprochen. Alle Teilnehmerinnen zeigten sich bei der Übergabe der Zertifikate stolz und zufrieden mit dem Verlauf der Kurse. „Im Familienprogramm habe ich gelernt, dass meine Kinder nicht mein Eigentum sind. Sie sind selbständige Persönlichkeiten“, verriet Aynur Ötnu, auf was sie künftig achten will.
Nasrin Malla hat im Gespräch mit der Familienbegleiterin und den anderen Teilnehmern aus deren Erfahrungen viel Positives für sich gewonnen: „Ich weiß jetzt, dass ich mich in bestimmten Situationen auch anders verhalten kann.“ Auch Cemile Yagiz will Neues ausprobieren. „Dank des Familienprogramms kommuniziere ich jetzt anders mit meinem Kind. Ich behandle es als ein Individuum und merke, wie es dadurch jeden Tag selbstbewusster wird.“ „Früher war ich unsicher im Umgang mit meinen Kindern. Jetzt weiß ich, dass es anderen Eltern auch so geht. Zu wissen, dass ich nicht alleine bin, beruhigt mich,“ verriet Rasha Mesto.
Das Programm ist aus der Vorstellung heraus entstanden, den 2015 nach Deutschland geflüchteten Familien Unterstützungsprogramme anzubieten, die ihnen das „Ankommen“ als Mitbürger ermöglichen. Im Laufe der Pilotphase wurde die Zielgruppe auf Familien erweitert, die geringe Kenntnisse über das deutsche Bildungssystem besitzen, da die Eltern meist in einem anderen Land zur Schule gegangen sind. Es richtet sich dabei an Familien mit Kindern im Kindergarten- und Grundschulalter.
Ein zentraler Bestandteil dabei ist es, mit den Familien in den Austausch über kulturelle Identitäten sowie Werte und Normen zu treten. In den Modulen wird reflektiert, wie Familien ihre Erfahrungen in die neue Lebenssituation einbringen und den Bildungsweg der Kinder bestmöglich begleiten können.
Othmar Pietsch