Ukraine-Krieg Friedensgebet auf dem Viernheimer Apostelplatz

Ukraine-Krieg Friedensgebet auf dem Viernheimer Apostelplatz

Die ukrainischen Nationalfarben als Zeichen der Solidarität.

© BERNHARD KREUTZER

Viernheim. „Frieden für die Welt“ steht auf dem Schild, das der kleine Junge in der Hand hält. Auf der Papptafel ist in vier Worten zusammengefasst, wofür hunderte
Viernheimer am Samstagmittag vor dem Rathaus zusammengekommen sind. Sie bitten beim interreligiösen Friedensgebet für ein Ende des Krieges in der Ukraine und ein friedliches Miteinander. Das Viernheimer Forum der Religionen veranstaltet das Friedensgebet, die Vertreter der christlichen, islamischen und jüdischen Gemeinden haben die Veranstaltung gemeinsam vorbereitet und sie gestalten sie gemeinsam. Rund 500 Viernheimer aller Altersgruppen sind in die Innenstadt gekommen. Kinder schwenken blau-gelbe Fähnchen oder winken mit gebastelten Friedenstauben, einige haben selbstgemalte Plakate dabei. Sie stehen erst weit verteilt auf dem Apostelplatz. Erst als die Musiker – Sängerin Helen Lenzen, Matthias Coenen an der Gitarre und Harald Windörfer (Percussion) – die Friedenshymne „Imagine“ anstimmen, drängen sich die Bürger näher an das Rathaus.

Unvorstellbarer Gedanke

„Unvorstellbar ist der Gedanke an diese Eskalation, im 21. Jahrhundert, mitten in Europa“, rief Gerd Baltes vom Forum der Religionen den Viernheimern zu. Der Krieg erfordere Reaktionen – sei es praktische Hilfe oder eben öffentliche Aktionen. „Wir können keine einzige Bombe verhindern, aber wir nehmen unseren Friedensauftrag ernst: Beten kann helfen und kann etwas verändern.“ Das ist auch der Antrieb der Menschen, die zum Friedensgebet gekommen sind: Sie sind ohnmächtig und hilflos, wollen aber etwas gegen den Krieg tun: Ein kleines Zeichen der Solidarität setzen und gemeinsam um den Frieden bitten. Demokratie in Deutschland und Frieden in und mit Europa – das hatte Matthias Baaß (60) einmal als „Riesen-Geschenk zur Geburt“ bezeichnet. „Aber Frieden in Europa ist keine Selbstverständlichkeit, das wissen wir nun“, so Viernheims Bürgermeister.

Den schrecklichen Bildern aus der Ukraine könne man nur zwei Dinge entgegensetzen: „Zusammenstehen, zusammen helfen.“ Baaß dankt für die Spenden aus Viernheim für die polnische Partnerstadt Mlawa und für die Hilfsorganisationen in der Brundtland-Stadt. „160 Schutzsuchende sind bei Verwandten untergekommen, 70 bei der evangelischen Christen- Baptistengemeinde“, zählt das Stadtoberhaupt auf, weitere Kriegsflüchtlinge werden im Pfadfinderheim und in anderen Unterkünften untergebracht.

Abdulcelil Gürbüz (DiTiB Eyüp Sultan Moschee) und Muhammed Sevinc (Islamische Gemeinschaft Milli Görüs) erinnern an die wörtliche Übersetzung des Begriffs Islam: „Es bedeutet Hingabe, Versöhnung und Frieden.“ Der Islam wolle den Menschen und die Schöpfung schützen und bewahren: „Wir atmen alle die gleiche Luft, sehen den gleichen Sternenhimmel. Wir sagen Nein zum Krieg und Ja zum Frieden.“ Christina Feifer, für die katholische Kirche im Forum der Religionen, sieht sich angesichts der Kriegsmeldungen „fassungslos, die Worte fehlen, die Kraft ist zu klein“. Pfarrer Markus Eichler als Vertreter der evangelischen Pfarrer nimmt auch diejenigen in sein Gebet auf, die als Verantwortliche nun Entscheidungen treffen müssen. Christen vertrauten darauf, alles in Gottes Hände zu legen: „Pflanz den Gedanken des Friedens in die Köpfe ein“, bittet Feifer, bevor die Menschen auf dem Apostelplatz gemeinsam das Vaterunser beten.

Gemeinsames Schlusslied

Mykhaylo Kotlyarsky vom Jüdischen Kulturverein, selbst aus der Ukraine nach Deutschland gezogen, verurteilt die mutmaßlichen Beweggründe des russischen Präsidenten für den Angriff: „Für seine Pläne braucht er die Ukraine.“ Seine Erläuterungen werden von einem Zuhörer unterbrochen, der die Meinung des Redners nicht teilt. Kotlyarsky lässt sich aber nicht stören: „Wir müssen kämpfen – für den Frieden auf der Welt.“ Der kleine Zwischenfall ist schnell vergessen, spätestens als alle zusammen das Schlusslied anstimmen. Das interreligiöse Friedensgebet endet mit einem Lied für den Frieden: „Ein bisschen Frieden, für diese Erde, auf der wir wohnen.“

Sandra Usler