Führungswechsel beim Viernheimer Lernmobil

Führungswechsel beim Viernheimer Lernmobil

Integration und Bildung: Das waren die Ziele der beiden Pädagogen Brigitta Eckert und Gerd Baltes, als sie das Viernheimer Lernmobil gründeten. Jetzt haben sie die Führung an Larysa Kay-Kulakowski übergeben.

21.4.2024 VON OTHMAR PIETSCH

Brigitta Eckert (r.) und Gerd Baltes (l.) werden von den Vorständen Peter Lichtenthäler(v.l.) Jens Kauffeld und Roland Träger verabschiedet. © OTHMAR PIETSCH

Viernheim. Es war eine lange, beschwerliche aber auch erfolgreiche und lehrreiche Reise, bis das Viernheimer Lernmobil im Jetzt angekommen ist, wobei ein Ende der Fahrt noch nicht abzusehen ist. Der kontinuierliche Aufwärtstrend soll nämlich fortgesetzt werden, allerdings unter neuer Leitung. Vor wenigen Wochen hat Larysa Kay-Kulakowski das Ruder von Brigitta Eckert und Gerd Baltes übernommen, die bei einem Festakt feierlich verabschiedet wurden.

Die Mehrzweckhalle der Goetheschule war sehr gut gefüllt und zahlreiche Wegbegleiter des scheidenden Gründerduos erinnerten an Höhen und Tiefen in den vergangenen Jahrzehnten. Der für die Geschenke bereitgestellte Tisch war schnell überfüllt, und fast jeder Gast konnte in persönlichen Gesprächen einen kleinen Beitrag aus der Vergangenheit beisteuern.

Baaß: Ein Aushängeschild für die Stadt Viernheim
Bürgermeister Matthias Baaß war in seiner gesamten Amtszeit ein Unterstützer der Idee von Integration durch Bildung und lobte die Akteure an der Spitze, aber auch die zahlreichen Mitarbeitenden. „Damals gab es viele arbeitslose Lehrkräfte, weil es nach erfolgreichem Studium nicht genügend Stellen gab. Ein Überschuss an Pädagogen, davon können wir heute nur träumen. Vier Lehrer haben Eigeninitiative gezeigt und mein Vorgänger Norbert Hofmann und der damalige Stadtjugendpfleger Bernhard Finkbeiner haben zugegriffen, nach dem Motto: ,Solche Leute kann man brauchen‘. Was aus den Anfängen in den alten Waggons am ehemaligen Bahnhof geworden ist, ist das Lebenswerk von Brigitta und Gerd und auch ein Aushängeschild für die Stadt Viernheim“, sagte der Bürgermeister voller Anerkennung.

Perfekt entwickelt habe sich auch die Partnerschaft mit der Stadt. Mittlerweile gibt es mit den Häusern am Schlangenpfad und in der Rathausstraße moderne Räumlichkeiten. Das Lernmobil beschäftigt mehrere Hundert Menschen auch außerhalb der Brundtlandstadt, immer noch unter dem Motto „Integration und Bildung“. „Diese Erfolge haben zwei Namen, weshalb der Magistrat
beschlossen hat, Brigitta Eckert und Gerd Baltes demnächst die Ehrenmedaille in Gold der Stadt Viernheim zu verleihen“, so Matthias Baaß weiter.

Peter Lichtenthäler aus dem Lernmobil-Vorstand bezeichnete die Anfänge der arbeitslosen Lehrkräfte als „Start up, wie man heute sagen würde. „Daraus wurde mit großem Engagement, fachlicher Kompetenz, Ausdauer und jeder Menge Empathie euer Lebenswerk. Dafür gebührt euch Lob und Dank.“ Zu den Gründungsmitgliedern des Lernmobils gehört auch Bernhard Finkbeiner, der in seiner Laudatio einige kuriose und eigentümliche Begebenheiten schilderte. „Vom hessischen Finanzministerium wurden die Vorschläge nur müde belächelt. Die Lehrer seien selbst schuld an ihrer Situation und wären bei der Berufswahl nur daran interessiert gewesen, den Beamtenstatus zu erlangen. Aber selbst das konnte die Initiatoren nicht stoppen, der Wahnsinn nahm weiter seinen Lauf.“ Nachdem erste bürokratische Hürden überwunden waren, begann nachmittags das Lernen im Waggon am Bahnhof.

Bürstadt gehört erst seit wenigen Jahren zum Netzwerk des Lernmobils, hat aber schon viele Angebote des Vereins für die eigene Integrationsarbeit und die Grundschulbetreuung übernommen. Für Bürgermeisterin Bärbel Schader Grund genug, beim Wechsel in der Geschäftsführung ein paar lobende Worte zu sagen und Geschenke zu überreichen. Wehmut kam auf, als sich Brigitta Eckert und Gerd Baltes mit eigenen Erinnerungen verabschiedeten. „Es waren keine reinen Berufsjahre, es war eine Zeit, die eng mit unserem gesamten Leben verwoben war. Meine Tochter Lea meinte jüngst: ,Mama, es war, als hätten wir noch eine weitere Person in unserer Familie gehabt‘. Mich hat diese Aussage sehr berührt, weil sie genau diese persönliche Verwobenheit beschreibt, die Beziehung, die ich zum Lernmobil hatte und habe. Wie ein Familienmitglied, mal läuft es rund, mal hat man schlaflose Nächte“, brachte BrigittaEckert ihre Erinnerungen auf den Punkt.

Gerd Baltes dankte den zahlreichen Unterstützern und Helfern aus unterschiedlichen Ebenen und verschiedenen Positionen: „Einige, die ihre persönlichen Beiträge geleistet haben, sind leider nicht mehr unter uns. Aber auch ihnen gebührt unser Dank. Unser Prozess hat mittlerweile mehrere Nachahmer gefunden. Das Konzept der Integrationslotsen wurde von vielen Gemeinden und dem Land übernommen. Was Viernheim aufgebaut hat, ist beispielhaft für andere Städte.“ Für die neue Geschäftsführerin Larysa Kay-Kulakowski ist es wichtig, dass ihre beiden Vorgänger dem Lernmobil weiter erhalten bleiben und ihr mit Rat und Tat zur Seite stehen. „Zwei Dinge für die Zukunft möchte ich schon heute verraten. Es sind die Netzwerke und die beteiligten Menschen, die das Lernmobil ausmachen. Außerdem ist es die Begeisterung des Entdeckens – des Entdeckens von Menschen mit ihren Talenten, des Entdeckens neuer Orte oder ganzer Welten.“ Das Fest endete fröhlich bei Musik, Tanz und netten Gesprächen, bei denen so manche Anekdote aus der Vergangenheit und sicher auch die eine oder andere Idee für die Zukunft zur Sprache kamen.

Othmar Pietsch  Freier Autor
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