Sprachförderung als kommunale Aufgabe
Die Verankerung der Sprachförderung als kommunale Aufgabe ist strukturell nicht
vorgesehen. Die deutsche Bildungslandschaft ist von ihrer Architektur klar gegliedert: So
sind die Länder mit dem dazugehörigem Kultusministerium klar für das Lehrpersonal
verantwortlich und die Lehrpläne und die Kreise für die sächliche Ausstattung.
Jedoch schon seit einigen Jahren hat sich dieser festgeschriebene Weg geöffnet und hat
den Begriff einer kommunalen Bildungslandschaft geprägt. Hauptmerkmale der kommunalen
Bildungslandschaft sind zum einen ein ganzheitliches Bildungsverständnis, das die gesamte
Bildungsbiografie einschließlich sozialer, kultureller und sportlicher Bildung einbezieht. Zum
anderen sind Kooperation und Vernetzung im Sinne eines Gesamtsystems von Erziehung,
Bildung und Betreuung grundlegende Prinzipien.
In der Münchner Erklärung des Deutschen Städtetages 2012 erklären die Städte und
Kommunen ihr bildungspolitisches Engagement. Dabei spielt die kommunale
Mitverantwortung für mehr Bildungsgerechtigkeit, Teilhabe und Qualität ebenso eine zentrale
Rolle wie die gestiegene Bedeutung der Bildung für nachhaltige Entwicklung.
Viernheim kann mit dem Viernheimer Modell im Kontext ganztägiger Betreuung langjährige
Erfahrungen aufweisen und hat schon in vielen Handlungsfelder gezeigt, dass es sich als
kommunale Bildungslandschaft versteht. So wurde mit Einführung der Vorlaufklassen in
Hessen ein aufeinander abgestimmtes Sprachförderkonzept in Viernheim eingeführt:
Deutsch für den Schulstart für beide Bildungseinrichtungen.
Die Entscheidung der Kommune ein Sprachförderangebot für alle Kinder und Jugendlichen
in den Intensivklassen anzubieten, ist in diesem Kontext verordnet.
Lernerfolge in der Schule und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben hängen maßgeblich
davon ab, wie gut man die deutsche Sprache spricht. Deshalb gilt es aus den Fehlern der
Vergangenheit zu lernen und Kindern und Jugendlichen eine Sprachförderung zu
ermöglichen unmittelbar, wenn sie in dieses Land kommen. So sollen den jungen Menschen
kommunikative Fähigkeiten ermöglicht werden, die eine gesellschaftliche Teilhabe und damit
eine erfolgreiche Integration ermöglichen.
Sprachförderprogramm in Viernheim
Ein Kooperationsprojekt der Stadt Viernheim und dem Verein Lernmobil e.V.
Seit dem Schuljahr 2016/2017 besteht für alle SchülerInnen der Viernheimer Schulen, die
eine Intensivklasse besuchen oder aus dieser bereits in die Regelklasse übergetreten sind,
die Möglichkeit an einem Sprachförderprogramm teilzunehmen. Neben der Sprachförderung
hat das Angebot die Aufgabe, Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit zu eröffnen, am
Regelangebot am Nachmittag in den Schulen teilzunehmen, sei es das Sportangebot, die
Koch AG etc. So verbindet man strukturelle Sprachförderung mit alltagsintegrierter
Sprachförderung. Zugleich eröffnet die Teilnahme am Regelangebot den Kindern aus den
Intensivklassen die Möglichkeit weiteren Kindern zu begegnen und verhindert eine
Segregation an der Schule.
Des Weiteren umfasst das Sprachförderprogramm auch einen sozialpädagogischen Teil. Im
Rahmen des Sprachförderprogramms sind pädagogische MitarbeiterInnen tätig, die die
Kinder und Jugendlichen am Nachmittag begleiten und auch zum Schulalltag zusätzliche
Angebote anbieten. So erfahren die Kinder am Nachmittag feste Bezugspersonen, die
AnsprechpartnerInnen, ZuhörerInnen etc. sind.
Einige der Kinder sind sicherlich traumatisiert, ohne, dass wir dies genau wissen. Über die
Sprachförderkräfte und die Mitarbeiterinnen für die sozialpädagogische Gestaltung kann man
ein differenziertes Bild von den Kindern bekommen und Hilfsangebote passgenau möglichst
gestalten.
Für alle Kinder aus den Intensivklassen an den Grundschulen gibt es ein
Sprachförderangebot im Hort am T.I.B.. Hier gab und gibt es die Möglichkeit zu wählen
zwischen einem Halbtagsplatz im Hort mit integrierter Sprachförderung und einer externen
Sprachförderung.
32 Kinder aus den Intensivklassen der Grundschulen haben einen festen Hortplatz am T.I.B.
und nehmen am Sprachförderangebot des Hortes teil. In nächsten Schulhalbjahr sollen
weitere Kinder dazu kommen, die dann extern gefördert werden, d.h. sie haben am
Nachmittag die Möglichkeit, an dem Sprachförderprogramm teilzunehmen, falls gewünscht
und falls es einen freien Platz gibt, können sie einen freien Platz im Hort bekommen.
Die Schulanfänger werden bisher viermal die Woche gefördert, die Schüler, der Klasse drei
und vier zweimal, da sie schon im weiteren Umfang Hausaufgaben zu erledigen haben. Die
SchülerInnen sind in der Sprachförderung in kleine Gruppen aufgeteilt zwischen 4-6
SchülerInnen. Die Kinder wurden getestet, bzgl. ihrer Lesefähigkeit, damit die Gruppen
möglichst homogen zusammengesetzt werden konnten. Des Weiteren sind sie in den
Projekten des Hortes wie Theater, Kunst, Sport integriert. In diesen Projekten findet eine
alltagsintegrierte Sprachförderung statt.
An der Alexander- von Humboldt- Schule werden 29 Jugendliche und an der Fröbelschule 17
Jugendliche gefördert (die GrundschülerInnen sind im T.I.B.). Die Alexander-von Humboldt
Schule hat zwei Intensivklassen, die nach dem Sprachstand zugeordnet sind und die
Fröbelschule drei Intensivklassen, die nach den Altersstufen eingeteilt sind.
Die Schüler der weiterführenden Schulen wurden ebenfalls nach Leistungsniveau, auch
Jahrgangs übergreifend eingruppiert.
An beiden weiterführenden Schulen sind neben den Sprachförderkräften sogenannte Lotsen
im Einsatz, die die Kinder beim Mittagstisch begleiten, mit Ihnen die mögliche Teilnahme an
den Angeboten der Schule am Nachmittag besprechen und sie in die Gruppen der
Sprachförderung begleiten. Neben den Regelangeboten gibt es auch ein zusätzliches
sozialpädagogisches Angebot für die Kinder und Jugendlichen aus den
Sprachfördergruppen.
Bei den Jugendlichen aus den Klassen der weiterführenden Schulen kann man feststellen,
dass ein Teil über den strukturierten Spracherwerb nicht zu erreichen ist. Aus diesem
Grunde findet seit diesem Schulhalbjahr ein Musikprojekt statt, dass über das Schreiben und
Singen z.B. von Rapliedern auch eine Sprachförderung ermöglicht.
Bisher ist das Sprachförderprogramm sowohl zeitlich wie inhaltlich getrennt vom curricularen
Unterricht konzipiert. Durch gemeinsame Förderkonferenzen wird versucht eine Abstimmung
in der Förderung zu erreichen. Die externen Sprachförderkräfte haben in der Mehrzahl
Deutsch als Fremdsprache studiert.
In der Zukunft ist sicher auch ein Modell vorstellbar, in dem die Kinder und Jugendlichen im
Regelunterricht mit gefördert werden und somit die additive Förderung aufgehoben wird.
Das Sprachförderprogramm ein Programm der Leseförderung,
Einführung in die Literalität
Die Fähigkeit zu lesen ist eine Schlüsselkompetenz, denn sie stellt sinnbildlich den Schlüssel
zu bedeutenden Lebensbereichen dar: Für das selbsttätige Zurechtfinden im Alltag, eine
erfolgreiche Bildungs- und Berufsbiografie sowie die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben
ist Lesen- Können unerlässlich.
Das Lesen-Können öffnet auch im schulischen Leben die Tür für viele Bereiche des Lernens,
sei es das Verstehen einer Textaufgabe im Mathematikunterricht oder die Texte in anderen
Sachfächern. Lesen ist also in vielen Bereichen eine wichtige Grundlage für das schulische
Lernen.
In diesem Förderkonzept ist die Leseförderung als ein Baustein im Kontext von
Sprachförderung zu sehen und umfasst folgende Förderbereiche:
• Förderung der phonologischen Bewusstheit.
• Förderung basaler Lesefähigkeiten.
• Vermittlung von Lesestrategien.
• Dialogisches Lesen, verbunden mit systematischem Wortschatzerwerb mit Bildern,
Bücher nach der Wahl der Kinder, regt die Sprachmodellierung an.
• Üben von sinnentnehmendem Lesen.
• Wortschatzarbeit und Wortschatzerweiterung.
• Lesemotivation, auch durch den Einsatz von e-learning Programmen.
Die Themen, an denen sich die Leseförderung orientiert, stammen aus dem Umfeld der
SchülerInnen sowie den Inhalten und Wortfeldern aus den Sachfächern.
Als Orientierung dienen bei der Förderung in den weiterführenden Schulen die Inhalte des
Lehrplans. Die Lesefähigkeit ist auch die Voraussetzung für die Teilnahme am Alltagsleben.