Warum brauchen wir einen interreligiösen Dialog?
Wir leben in einer globalisierten Welt, nicht nur in der vernetzten Welt des Internets und wirtschaftlicher Verflechtungen, sondern ganz konkret vor unserer Haustür mit seit Jahrzehnten zugewanderten Arbeitsmigrant*innen, die längst in Viernheim und Umgebung ihre Heimat für sich und ihre Familien gefunden haben. Mit den verschiedenen Fluchtwellen der letzten Jahre kamen weitere Menschen mit unterschiedlichem kulturellen Hintergrund nach Deutschland, um zu bleiben und um sich zu integrieren.
Diese Menschen brachten auch ihre Religion mit hierher. In einer Lebensphase der „Entwurzelung“ sehen sie ihre jeweilige Religion als Sinn stiftenden Anker: ihre Religion stützt, tröstet und begleitet Millionen Menschen in unserem Land. Dadurch ist zu beobachten, dass einerseits das Spektrum der christlichen Religion erweitert wurde, z.B. durch christliche Einwanderer aus Osteuropa. Andererseits wurden Religionen, die hier einst kaum vertreten waren, in unserer Nachbarschaft heimisch, besonders der Islam, der Buddhismus u.a. Auch das Judentum hat nach seiner Fast-Auslöschung im Holocaust durch Zuwanderung eine kleine Renaissance in Deutschland erlebt. Diese neue Religionsvielfalt wird nicht nur als Bereicherung erlebt, sondern sie führt auch zu Verunsicherung und Ängsten. Häufig bestimmen Vorurteile und Klischees den Umgang mit den „fremden“ Religionen und führen zu emotional geführten Debatten. Diese Entwicklung kann von Konflikten begleitet werden, gerade, wenn das Thema Religion für einen Teil der Bevölkerung immer fremder wird. Denn es ist zusätzlich verstärkt zu beobachten, dass der gesellschaftliche Wandel der letzten Jahrzehnte bewirkt hat, dass Deutschland mit seiner autochthonen Bevölkerung immer säkularer wird. Die abnehmenden Mitglieder- und Kirchenbesuchszahlen sind dafür ein deutlicher Beleg.
Dennoch ist unsere Gesellschaft in den vergangenen Jahren zunehmend multireligiös geworden. Ein Dialog zwischen den Glaubensrichtungen – unter Einbeziehung des nichtreligiösen Teils der Gesellschaft – ist unabdingbar: „Er ist das Gebot der Stunde“, so steht es in einer Verlautbarung der Erzdiözese München-Freising. Unsere Gesellschaft braucht Religionen. Sie braucht ihre Wirkkräfte und sie braucht religiöse Toleranz. Es entspricht unserem Grundverständnis, dass Menschenwürde, Menschenrechte und damit Religionsfreiheit den Gläubigen aller Religionen zustehen. Gegenseitiger Respekt und die Absage an jegliche Form von Gewalt zum Erreichen religiöser Zwecke sind Voraussetzungen für ein friedliches Zusammenleben in unserer zunehmend pluralen Gesellschaft und den Frieden zwischen Völkern, Kulturen und Religionen. Diese Voraussetzungen zu erhalten, ist Aufgabe aller, gerade auch der Religionen und somit auch die des interreligiösen Dialogs.